Vom „lost place“ zur Villa - Renovierung einer Puppenstube
Meine Puppenstube ist um die 30 Jahre alt. Ein entfernter Verwandter hat sie damals für mich gebaut, er war Schreiner in der DDR und schaffte es immer wieder, auch aus klitzekleinen Reststücken absolut bezaubernde Dinge zu fertigen.
Meine Puppenstube hatte auch Möbel, ebenfalls Handarbeit; leider sind die einem Hochwasser zum Opfer gefallen, als mir in meiner Mietwohnung – ich war damals knapp über 20 – der Keller voll lief. Das Hochwasser hat mich ziemlich viele Dinge gekostet, aber nur um das Kästchen mit den Möbeln tat es mir so richtig leid. Der letzte Umzug förderte das ramponierte Häuschen wieder zu Tage, und so thronte es auf unseren Bücherkisten, ganz oben im Regal. „Rotes Dach“, stellte das Septemberkind schelmisch fest, „gerne mal mit bieln“. Und so kam ich auf die Idee: ich könnte ihr das Häuschen zu ihrem dritten Geburtstag doch herrichten. Schön putzen, Möbel besorgen, vielleicht ein paar kleine Gardinen an die Fenster hängen.
Der Gedanke wurde zum Selbstläufer. Drei Monate hatte ich für die (eher unregelmäßigen) Arbeiten am Häuschen eingeplant. Das Projekt fand in meiner nicht vorhandenen Freizeit statt, also überwiegend sehr spät abends, nachts oder am Wochenende, wenn der Papa die Kinder bespaßte. Aufgrund Häuschens Alter und der Tatsache, dass alle Kanten nicht nur verschraubt, sondern teilweise genagelt und fast ausnahmslos geleimt waren, kam ein vollständiges Zerlegen (leider) nicht in Frage. Gestrichen war mit einfacher weißer Dispersionsfarbe und direkt auf Leimholz, so dass mit „saubermachen“ auch nicht viel war: die Farbe war gerissen, blätterte ab. Das rote Dach wiederum, das einige böse Schrammen hatte, bestand aus einer sehr dünnen Pappe-Holz-Platte mit Plastiküberzug, ebenso der Fußboden des Schlafzimmers. Sehr schnell musste ich meine ursprünglichen Pläne also begraben: das Ganze würde eine größere Aktion werden.
Mein Glück in dem Zusammenhang ist, dass auch unser Haus Baustelle ist – ich (ver)brauchte so einiges an Baumaterial, und das funktionierte nur, weil das Zeug ohnehin schon hier herumstand. Zum Einsatz kamen – und die Liste ist ganz sicher nicht vollständig – Glasfasertapeten in zwei unterschiedlichen Prägungen nebst Kleber, weiße Latexfarbe (abwischbar!), lindgrüner, orangefarbener und altweißer Lack, Maleracryl, Abbeizer, jede Menge Schraubendreher, Cutter und kleine Sägen, Sekundenkleber, Schleifpapier, Vliestapete (von Rasch) im Schlafzimmer, Vliestapete (aus dem Schöner-Wohnen-Sortiment) im Unterstock. Die Blümchentapete stammte noch aus meinen Beständen, die hübsche gestreifte schenkte mir ein Mitarbeiter im Baumarkt. Er schnitt ein großzügiges Stück von der Rolle ab, da „Muster rausgeben an Kunden“ kein Problem sei. Yay! Ich hatte ursprünglich nach einem alten Musterbuch für Tapeten gefragt, war aber zu spät an; die neuen Musterbücher kommen immer so Mitte/ Ende März, und die alten werden dann an die umliegenden Kindergärten verschenkt (Das ist ein Pro-Tipp, Leute!)…
An der Elektrik nahm ich mir fast das Leben. Es existiert ein unglaubliches Sortiment an Puppenhauselektrik und Zubehör, aber das wenigste ist wirklich für Kinder geeignet. In einem von Kindern bespielten Häuschen sollte man mit nicht mehr als 3,5V arbeiten (die Schau-Häuser haben meist 12V), und da ich das Häuschen nicht demontieren konnte, war die Kabelverlegung „unter Putz“ nicht möglich. Ich entschied mich dann nach tagelanger Recherche für das Bodo-Hennig-System nebst Kabelkanälen und einen Steger-Trafo. Der Einbau war schon ziemliches Gefummel, die Mini-Steckdosen, die Lichtschalter, die Stecker. Mit einer Affengeduld Litze abisolieren, Litze durch die winzigen Kontaktstifte fummeln. In den Kanälen sind feste Drähte verlegt, die mussten auf genau 4mm zugeschnitten werden – weniger gibt keinen Kontakt, mehr zerstört die Verteiler. Die Säge war zu groß für die Holzführungen, die ich passgenau zuschneiden musste – aber eine kleinere Säge war dann wieder zu klein für die Gehrungslade, und ohne die ging es nicht.
Im hiesigen Second-Hand-Laden griff ich für relativ günstiges Geld eine völlig ramponierte Standard-Puppenstube ab – allerdings möbliert. Die Kosten für die Elektrik hatten mich schon nach Luft schnappen lassen, so dass ich für die Möbel nicht auch noch ein Vermögen hinlegen konnte (und wollte). Die Möbel, die wir nun haben, sind etwas altbacken, aber halt auch niedlich. Ein Besen war auch dabei. Zuguterletzt stand ich noch vor dem Problem, dass die vier ursprünglichen Schiebetüren noch vorhanden und in einem Stück waren, aber leider auch sehr mitgenommen: verkratzt und ziemlich unansehnlich. Sozusagen in letzter Minute kam ich auf die Idee, sie mit den restlichen Window-Color-Farben anzumalen – das würde die Kratzer erstmal kaschieren (und lässt sich wieder entfernen, wenn es gar zu ranzig ausschaut).
Das ist die Geschichte der Püppchen-Villa. Aktuell liegt eine Biene Maja von Schleich im Bett – Biene Willi wurde vom Geburtstagskind in die Kommode gesperrt. Ein imaginäres Sandmännchen liegt auf der Couch, ein Mainzelmännchen steht auf dem Balkon und ich glaube, das Septemberkind ist begeistert. Eine richtige Püppchenfamilie und noch ein paar Kleinigkeiten bekommt sie am Samstag von der Verwandtschaft. Und so ist auch dieses Projekt beendet. Ein klein wenig mit Wehmut – es war ein wunderschönes Projekt, forderte in so vielen Disziplinen. Andererseits sind jetzt natürlich auch wieder Kapazitäten frei, und an unserem Haus ist ja auch noch einiges zu tun…
Hintergrundbild: 1440x 530px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten