#smartfish – Wenn das Aquarium smarter wird
In einem früheren Beitrag habe ich von der Einrichtung meines neuen Aquariums berichtet. Erwartungsgemäß konnte ich es allerdings nicht lassen – und habe es ein wenig smart gemacht. Das muss ich heute, nachdem ich es erfolgreich seit mehreren Monaten so betreibe, unbedingt für die Nachwelt aufnotieren.
Wie es dazu kam
Das Ganze nahm seinen Anfang in der Tatsache, dass der Raum, in dem das Becken aufgestellt ist, sich bei direkter Sonneneinstrahlung auf das nahezu flache Dach denn doch sehr erhitzt – auch vollständig geschlossene Rollläden können daran nichts ändern. Betroffen sind hiervon von zwölf Monaten vielleicht drei, die dafür dann aber umso mehr… Deshalb beschaffte ich einen Cooler 300 von JBL, eine Art Lüfterbalken, der die Senkung der Wassertemperatur per Verdunstung realisiert. Das Teil ist relativ laut – im Schlafzimmer würde ich es definitiv nicht stehen haben wollen – aber funktioniert erstaunlich gut: die versprochenen 2–4°C schafft es locker. Man muss halt den Wasserpegel gut im Auge behalten, und in der >40°C-Woche füllte ich täglich (destilliertes) moderat kühles Wasser nach.
Doch wann soll der Balken sich eigentlich zuschalten? JBL hat erwartungsgemäß auch hierfür ein Gerät an, aber das fand ich ziemlich dumm: es zeigt nichtmal die gerade gemessene Temperatur an, und die Schalterei verkommt so irgendwie zur „Black Box“”. Ich war sowieso erschüttert, wie schnell die knapp über 100l Wasser mit der Raumtemperatur mitgehen und wollte das unbedingt als Graphen sehen. Doch wie? Der Markt ist sehr übersichtlich, die wenigen verfügbaren Lösungen wie beispielsweise die von Seneye kurz vor unbezahlbar. Ich entschloss mich deshalb dazu, meine Anforderung über einen guten alten Bekannten zu lösen: den Temperaturdifferenzsensor WDS30-OT2-SM, der mir bereits auf der Terrasse treue Dienste leistet.
Nun ist der grundsätzlich für den Außenbereich geeignet, doch auch dort tut man ganz gut daran, ihn so geschützt wie möglich zu installieren. Dauerhafter Unterwasserbetrieb? No way. Vor dem finalen Zusammenlöten fuhr ich also mit einem der Sensoren in die nächste Aquaristikabteilung und kaufte mir für 75 Cent einen Meter Schlauch im richtigen Durchmesser und kürzte ihn später noch ein wenig ein. Das Sensorkabel fummelte ich durch (die Schlauchbürste leistete hier gute Dienste), so dass der Sensor seinen Platz im unteren Drittel fand; beide Enden des Schlauchs verstopfte ich anschließend, indem ich mehrere Zentimeter klaren Aquariensilikons hinein drückte und den eine Weile aushärten ließ – erst dann wurde das Kabel letztendlich eingelötet. Und da der Schlauch Standardmaß aufweist, kann ich ihn einfach mit zwei passenden Saugnäpfen im Becken gegenüber des Ansaugrohrs fixieren… Perfekt!
Das Anlernen läuft so, wie man das von HomeMatic-Geräten halt kennt; während der Sensor-im-Schlauch im Aquarium befestigt ist, hängt der andere frei im Raum (zumindest bis ich irgendwann mein Meerwasserbecken habe, harr harr). Über eine HomeMatic-Steckdose ist es im Endeffekt ein kleines Programm innerhalb der CCU2, das mir den Lüfterbalken antritt und (mit Verzögerung von zehn Minuten, um brutales Flapping zu vermeiden) auch wieder abschaltet. Die übrige Technik hängt nicht an HomeMatic-Steckdosen, und das liegt ausschließlich an den Anschaffungskosten für selbige: während die nämlich nicht für unter 30EUR pro Stück zu kriegen sind, konnte ich die von Osram zum Prime Day für unter 10EUR schießen.
Phoscon, RaspBee, HueBridge
Osram-Steckdosen lassen sich an Hue-Bridges anmelden, sowohl an runden als auch an eckigen, und über diese Hue-Bridge dann auch schalten. Und eine Hue-Bridge wiederum, egal ob rund oder eckig, lässt sich in die CCU2 integrieren, so dass die angeschlossenen Geräte sich auch über die CCU2 direkt schalten lassen. Zuverlässige Schaltungen sind allerdings ausschließlich unter Verwendung der eckigen Hue-Bridge realisierbar – die runde lässt sich zwar koppeln, macht aber Ärger.
Ich sehe es allerdings auch aus elektroschrott-technischen Gründen nicht ein, Philips Geld hinterher zu werfen für eine Bridge, die ich nicht will und nicht brauche – und wer weiß, vielleicht muss ich dann in drei Jahren die eckige wegschmeißen, weil dann eine dreieckige state of the art ist? Stattdessen habe ich schon vor längerem das Aufsteckmodul RaspBee von Dresden Elektronik angeschafft und dann all meine Osram-Steckdosen dort angelernt. Und auch den Lightstrip von Osram, die Mi Magic Cubes von Xiaomi und Fernbedienungen und Bewegungsmelder von IKEA Tradfri. Richtig gelesen, die lassen sich hier alle als Geräte anlernen, nutzen und miteinander verheiraten (das geht mit der Hue-Bridge nämlich nicht, auch nicht mit der neuen!). Ich kann so beispielsweise das Osram-Lichtband über die IKEA-Fernbedienung steuern, und das funktioniert erfreulich zuverlässig!
RaspBee wiederum stellt sich nach außen hin als Hue-Bridge dar – nur eben leider nicht für die CCU2, dort lässt es sich nicht als solche anmelden. Aber sowohl in Home Assistant als auch openHAB 2 lässt es sich als Gateway am besten über das jeweils passende Deconz-Binding ganz einfach einbinden – alle angemeldeten Gerätschaften stehen dann wie gewohnt zur Verfügung und lassen sich spätestens an dieser Stelle miteinander verheiraten. So sorge ich beispielsweise derzeit via Home Assistant für die Nachtabschaltung der CO2-Versorgung.
- alias: "Juwel: CO2 aus"
trigger:
- platform: time
at: '22:30:00'
action:
- service: homeassistant.turn_off
entity_id: switch.juwel_deconz_co2
- service: notify.pushover
data:
title: "Juwel: "
message: "... CO2 aus"
Analog dazu muss die CO2-Versorgung natürlich auch wieder zugeschaltet werden.
- alias: "Juwel: CO2 ein"
trigger:
- platform: time
at: '15:00:00'
action:
- service: homeassistant.turn_on
entity_id: switch.juwel_deconz_co2
- service: notify.pushover
data:
title: "Juwel: "
message: "... CO2 ein"
Graphen
Ganz gleich ob nun openHAB 2, Home Assistant oder sonstwas – quasi alle lassen sich inzwischen so konfigurieren, dass sie die Messwerte beispielsweise in eine InfluxDB hauen, und mit Grafana kann man sich die bekannten hübschen Graphen basteln. Braucht man die unbedingt? Vermutlich nicht – das kleinere Aquarium lief auch viele Jahre ohne nennenswerte Ausfälle, und das war technisch nicht ansatzweise so hochgerüstet.
Hier ist die Sachlage jedoch insgesamt eine andere: der Stellplatz des Beckens ist, zumindest in den Sommermonaten, schwierig; und die Anschaffungskosten für Differenzsensor und eine Handvoll Steckdosen sind überschaubar in einem Haushalt, in dem HomeMatic & Co. schon am Start sind – vor allem in Relation zu den Kosten, die das Becken per se verursacht hat.
Fazit
Ich verlasse mit meinem smarten Kram damit erstmals den Bereich des reinen nice to have – denn das Leben meiner Tierchen hängt innerhalb eines gewissen Toleranzbereichs davon ab, dass im Aquarium alles reibungslos funktioniert. Deshalb unterscheide ich in meinem Setup zwischen lebensnotwendiger Hardware (Außenfilter, Lüftung, beides zusammen mit der CCU2 an einer relativ dicken USV) sowie den für die Bewohner nicht lebensnotwendigen Dingen (CO2-Anlage, Beleuchtung) – und lasse mich sehr eng informieren über alle Schaltungen, die vorgenommen werden.
Ich habe ein tieferes Verständnis dafür entwickelt, wie Außen-, Raum- und Beckentemperatur zusammenspielen – wie schnell das geht, wie gravierend es sich auswirken kann. Ich habe verstanden, dass die ursprünglich angepeilten 24°C für meinen Besatz zu niedrig sind und auf 25°C korrigiert. Fernab davon, ob das nun zwingend notwendig ist oder nicht – es macht einfach großen Spaß, sich damit zu befassen.
In den vergangenen überaus anstrengenden Wochen war das mein Yoga, meine Ablenkung, meine Aufmunterung. Und parallel dazu lese ich immer mal wieder in meinem neuen Meerwasseraquaristik-Buch – irgendwann will ich das unbedingt angehen.
Hintergrundbild: Screenshot Grafana, 2019, 1500x 690px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten