Rückbesinnung

Diesen Beitrag schrieb ich 1 Jahr und 1 Monat zuvor; die nachfolgenden Ausführungen müssen heute weder genau so nach wie vor funktionieren, noch meiner heutigen Meinung entsprechen. Behalte das beim Lesen (und vor allem: beim Nachmachen!) bitte stets im Hinterkopf.

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich Einstieg finden kann in diesen Artikel. In den ersten Artikel nach so langer Zeit. Einer Zeit, in der sich alles geändert hat. Mein Leben. Mein Umfeld. Ich.

Nicht nur das Alltagsleben wird ein anderes, wenn wir einen uns nahen Menschen, unseren nächsten Menschen verlieren, auch wir sind andere geworden und stehen vor neuen Aufgaben. Angehörige haben ihre Sterbenden bis zum Ufer des Styx begleitet, haben ihnen nachgeblickt, als sie den Fluss ins Totenreich überquerten, und sind allein zurückgekehrt. Auf diesen Wegen haben sie etwas gesehen, was jenen, die nicht mitgekommen sind, verborgen bleibt. Sie fühlen sich anschließend fremd und einsam. So wie die Sterbenden zuvor nicht glauben konnten, dass sie tatsächlich im Totenreich ankommen werden, können ihre Angehörigen manchmal nicht glauben, dass sie wieder ganz heimisch werden können unter den Lebenden.

Zitat aus dem Kapitel „Danach“ aus dem Buch „Vom Lieben und Sterben“ von Barbara Dobrick

Ich habe mich für dieses Zitat entschieden, denn es bringt meine aktuelle Gefühlslage in wenigen Sätzen auf den Punkt. Ich habe auf diesem Weg viel gesehen, viel gehört, viel erlebt. Zu viel, so fühlt es sich jedenfalls an; als trenne all das mich vom Rest der Welt. Ich hoffe, eines Tages vielleicht darüber sprechen zu können – wenn auch vermutlich nie in Gänze.

Doch im Moment ist das Utopie. Denn die Trauer löst eine Art von Kummer und Schmerz aus, die mir die Luft, jeden klaren Gedanken, jede Fähigkeit zum Reden nimmt. Die mich am Tag zermürbt, mir des Nachts den Schlaf raubt. Die zugleich unendlich viele Sinnfragen aufwirft; und dabei fast alles um mich herum weitestgehend sinnlos erscheinen lässt. So viele Gefühle, und meistens alle gleichzeitig. Das ist zu viel. Zu viel für den Kopf, auch wenn er noch so gerne gewohnt rational und zuverlässig funktionieren würde; zu viel für das Herz, dem Rationalität schon immer völlig egal war.

Ich versuche jeden Tag aufs Neue, wieder in eine Art von Leben zurückzufinden. Denn das Leben, wie es war, gibt es nicht mehr. Die Bewältigungsstrategien, die ich kannte, funktionieren nicht mehr. Und die Wegmarken, an denen ich mich orientiert habe, wurden im Dunkeln teils ausgetauscht, teils umgestellt. Ich finde mich nicht mehr zurecht. Alles auf Null.

Und so taste ich blind umher. Schaue, ob von dem, was mir früher Spaß gemacht hat, auch unter den geänderten Bedingungen noch etwas taugt. Übe diese Sache mit der Konzentration, die mir so sehr abhanden gekommen ist. Setze mir – zugegeben sehr kleine, sehr niedrige – Ziele. Bin tief frustriert, wenn ich auch die nicht erreiche. Wenn es gerade so dafür reicht, es unter die Dusche zu schaffen, einen Kaffee zu machen, die Wäsche zu falten. Gerade so zu überleben. Ein Schritt vor, einer zurück.

Ein paarmal habe ich mich nach draußen geschleppt – dahin, wo die Menschen wimmeln, die Sonne scheint, das Leben weitergeht. Nur um zu erkennen, dass ich mich als Fremdkörper fühle, als nicht zugehörig – ein Gefühl, das sich durchzieht, durch alle Lebenslagen hindurch, durch alle Situationen. Dass ich überfordert bin mit Licht und Geräuschen und Gerüchen und Farben. Dass ich mich schlecht fühle, weil ich noch herumlaufe – und es nicht einmal genieße. Dass das mit dieser Normalität wohl nicht geht.

(Noch nicht?)


Ich arbeite am Blog. Davon habt ihr vermutlich nicht viel bemerkt, denn ich habe mich all der lästigen Kleinigkeiten angenommen, die ich schon viel zu lange vor mir herschiebe. Alte Bildreferenzen aufzuräumen, beispielsweise. Ich habe endlich mal ein Scriptelchen geschrieben, das mir verwaiste Bilddateien auflistet. Und eines zur Erzeugung eines Artikel-Templates. Ich hab die Navigation der Seite sortiert und den Abschnitt „Spenden“ aufgeräumt und erweitert. Nichts Spannendes oder Weltbewegendes; doch ich muss dazu eine Weile still sitzen, und ich muss mich konzentrieren. Ihr könnt euch vermutlich kaum vorstellen, wie schwer mir das nach all den Monaten „Duracell-Hase“, Fremdbestimmung und und „always available“ grundsätzlich fällt.

Ich will mich in Zukunft auf dieses Blog konzentrieren. Im Umkehrschluss heißt das: ich werde alle Aktivitäten auf anderen Kanälen reduzieren beziehungsweise ganz einstellen. Ungenutzte Domains sind bereits gekündigt. Auch werde ich in Zukunft kein separiertes Foto-Blog mehr führen (wenngleich die Domain urban-exploring.eu bei mir bleibt). Ich habe kein Interesse mehr an Plattformen wie fotocommunity, 500px oder Instagram, an Likes und Shares und Werbung und Tracking. Ich werde all meine übers Netz verteilten Inhalte wieder einsammeln – und hier bündeln.

Seht es mir also bitte nach, sollten die Webseite oder ihr RSS-Feed verwirrende Dinge tun; manche Inhalte werde ich mit dem Datum der ursprünglichen Veröffentlichung hier reinpacken.

Alle Bilder dieser Seite: © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten
Hintergrundbild: alsunas Landeplatz, fotografiert aus etwa 3m Hoehe, 1500x 1000px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten

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