Quetschgesichter

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Eher genervt sieht er aus, wie er da am Regal lehnt – als täten ihm die Füße weh oder aber der Magen. Oder hier, eine Hand, mehrfach aufgenommen – was wurde ausprobiert? Der Weißabgleich? Serienbelichtung? Die Bilder sind alle gleichermaßen unscharf, unterscheiden sich jedoch im Grad der Farbverzerrung.

Oder hier, ein grinsendes Gesicht: fast vermeint man den Fotografen sagen zu hören „Bleib mal kurz stehen“, und mit genügend Phantasie kann man sich die darauffolgende Diskussion über Benutzerfreundlichkeit, Menüführung und Farbwiedergabe vorstellen. Bei der nächsten leuchtet der „Keine Speicherkarte eingesetzt“-Hinweis, bei der übernächsten ist der Akku leer. Das neutrale Gesicht ist in fast jedem Speicher zu finden – der Fotograf scheint das gesamte Sortiment einmal durchprobiert zu haben. Oder hier, ein lockeres Spontan-Posing am Grabbeltisch: die junge Dame scheint sich als ambitioniertes Nachwuchs-Model zu verstehen, lächelt selbstbewusst, Hand im Haar. Ob sie sich im Klaren war, dass ihr Freund im Hintergrund Grimassen schnitt, zwei Finger der rechten Hand zu „Hasenohren“ abgespreizt?

Oder hier, eine alte Dame, mit Einkaufstaschen beladen – sie hat ganz andere Zeiten der Fotografie miterlebt, strenge Mittelscheitel, ernste Gesichter, sekundenlanges bewegungsloses Verharren. Für diese moderne Form des „Augenblick im Bild Festhaltens“ erübrigt sie in erster Linie Verblüffung, Verwirrung und Verständnislosigkeit. Das Gesicht eines Schulkindes, zur Fratze erstarrt – „Kind, schau nicht so, sonst bleibt dein Gesicht für immer so stehen“ – und Preisaushänge, über- und unterbelichtet, verwackelt, als Kurzvideo. Oder hier, ein Verkäufer im Gespräch mit einem potentiellen Kunden, Auge an die Linse gepresst, tappige große Finger auf filigranen, nahezu unbedienbaren Knöpfen –

Habt ihr je die Bildspeicher von Digitalkameras in Elektrofachmärkten durchstöbert?

Alle Bilder dieser Seite: © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten
Hintergrundbild: 2448x 2448px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten

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