Manchmal
Manchmal erfahre ich von Leuten, die mein gesamtes Blog gelesen haben.
Mehr oder minder an einem Stück, fast schon so, wie man es bei einem Roman tut, und mit klarem Fokus auf die Offline-Artikel. Bei dem Gedanken werde ich rot vor Verlegenheit, und das ist eigentlich ganz schön bescheuert unerwartet, wenn man bedenkt, wie lange ich schon $DINGE
in dieses Internet schreibe.
„Ganz früher™“ hatte ich die Leserschaft im Blick. Da waren wir alle ganz scharf auf jede einzelne site impression, auf bunte Graphen und viele Zahlen. Fast all meine Kollegen1 haben auf irgendeine Art gebloggt (hach!). Und in den Pausen unterhielten wir uns darüber, gaben uns gegenseitig Tipps, prahlten gutmütig mit unserer Reichweite („Ich hab jetzt schon 12 Feed-Leser, ha!“). In gewisser Weise habe ich also für ein Publikum geschrieben.
Doch irgendwann hat sich das für mich nicht mehr bewährt – auch, weil man es sowieso nie allen recht machen kann. Zeiten ändern sich – immerhin wird dieses Blog im kommenden Jahr volljährig. Rahmenbedingungen ändern sich – Stichwort „DSGVO“ zum Beispiel. Und nicht zuletzt ändern sich persönliche Präferenzen. Ich änderte meine Sichtweise: mein Blog, meine Spielwiese. Seitdem werte ich keinerlei Logs mehr aus, schreibe keine Statistiken; habe keinen Dunst, ob ich nun 30 oder 300 Feed-Leser habe. Daher rührt es vermutlich auch, dieses Gefühl: Ich schreibe nur für mich. Das versackt ohnehin in den digitalen Weiten. Das liest niemand. .oO(Und wird allenfalls fürs Training von ChatGPT missbraucht.)
Und dann gibt es da diese Momente, in denen mir klar wird, dass das so nicht stimmen kann 🙈 Denn manchmal erfahre ich von Menschen, die mein gesamtes Blog (und vor allem die Offline-Artikel) mehr oder minder an einem Stück gelesen haben. Etwas daran muss sie angesprochen haben, sonst hätten sie sich in Zeiten von TL;DR diese wall of text ja nicht freiwillig angetan. Manchmal hinterlassen mir diese Menschen anschließend eine Botschaft. Und fast immer begannen diese Botschaften bisher mit einem Danke. Das hinterlässt mich, je nach Tagesverfassung, zumindest mit einer Freudenträne im Augenwinkel, während ich zugleich dem Munch-Emoji erschreckend ähnlich sehen dürfte.
Irgendwo gibt es also Menschen, die Zugang haben zu meiner Art zu schreiben; zu den Dingen, die ich tue und die mir wichtig sind; zu den Gedanken, denen ich versuche, hier Ausdruck zu verleihen. Sogar jetzt, wo ich mich so einsam fühle wie nie zuvor in meinem Leben, so abgehängt und kaputt; und meine Texte so traurig und nachdenklich sind wie nie zuvor. Und manchmal denke ich: mit euch würde ich gern mal abends in einer Kneipe herumsitzen. Herausfinden, ob diese ähnliche Wellenlänge auch „in analog“ Bestand hätte. Ich wäre neugierig darauf, ob wir uns verstehen und worüber wir sprechen würden.
Doch dazu wird es nicht kommen. Nur in den seltensten Fällen kann ich zuordnen, mit wem ich es zu tun habe; und Menschen meiner Wellenlänge haben überdurchschnittlich häufig die lästige Eigenart, viele, viele Kilometer von mir entfernt zu wohnen. Also bleibt mir lediglich, euch digital zu winken. Wenn auch einigen von euch haarsträubend zeitversetzt – was ihr mir, angesichts der Umstände, hoffentlich nachseht. Auch das Artikelbild ist ein Gruß – ich hoffe, die richtigen werden sich angesprochen fühlen. Und Dank und Gruß auch an JB – diesmal hast du mich nachdenklich gemacht.
Ja, das ist korrekt gegendert. ↩︎
Hintergrundbild: 1500x 1000px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten
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