Lieber Herr Canossa...
Lieber Herr Canossa,
bitte lies dies und nimm es an als das, was es ist: ein Ratschlag zur Rettung deiner stylischen Kneipe, die uns als Kunden schon so gut wie verloren hat. Doch fangen wir vorne an.
Neun Leute, die zwei bis vier Stunden zusammensitzen, können so einiges verdrücken, und reden macht bekanntermaßen ohnehin durstig; einige von uns hatten sich sogar die Mittags-Mensa erfolgreich verkniffen, um abends bei dir und in geselliger Runde so richtig zuschlagen zu können. Doch es kam alles ganz anders. Wir saßen im Außenbereich – du weißt schon, dem mit dem brummenden Transformator und den „Vorsicht – Lebensgefahr!“-Schildern – und harrten ein angemessenes akademisches Viertel der Bedienung, welche jedoch nicht zu erscheinen geruhte. Da wir geduldige Leutchen sind und dir und Deinen Angestellten auch keinen Ärger machen wollten, sammelten wir unsere Getränkewünsche und einer von uns begab sich in deine dämmrig-diodenbeleuchteten heiligen Hallen. Nach weiterer Wartezeit wurde unserem Kollegen von Deiner Angestellten mitgeteilt, dass sie sich außerstande fühle, seine Bestellung entgegenzunehmen – er solle warten, sie käme dann auf ihn zu. Sie versäumte ihm mitzuteilen, wo sie auf ihn zukommen würde – er wartete draußen bei uns, sie stand drinnen an der Theke – sie kam nicht heraus, und wir hatten Durst.
Einem weiteren Mitglied unseres Grüppchens gelang es einige Zeit später, im Innenraum unsere Bestellung aufzugeben, welche nach einem weiteren akademischen Viertel auf unseren Tisch geschwebt und stante pede abkassiert wurde; hierbei herrschte Verwirrung, die richtigen Leute erhielten die falschen Getränke oder umgekehrt, aber wir schafften es, das Ganze wie gewünscht zu verteilen, obgleich etwas enttäuscht ob der Getränkepreise und der eher flauen Auswahl an Mahlzeiten. Von einer Essensbestellung nahmen wir hernach Abstand, wir fühlten uns ungeliebt und suchten uns einen alternativen Sammelplatz; fast, aber nur fast, endete dieses Ausweichmanöver in einer Tragödie in Form eines steckengebliebenen Aufzugs. Ein ortsansässiger freundlicher Mann in einem kleinen roten Flitzer lieferte uns alsbald duftende Pappkartons mit wundersamem Inhalt, der a) unserer Bestellung entsprach, b) nicht verkohlt war und c) mit einem ausgewogenen Preis-Leistungsverhältnis aufwarten konnte.
Lieber Herr Canossa, dein Laden mag moderner sein als Canossa-1.0, aber unter den wachsamen Augen Frank Zappas erhielten wir zumindest immer etwas zu essen, zu trinken und ein nettes Gespräch mit der Bedienung. Wir hatten auch stets ein klein wenig Mitspracherecht in Sachen Musik, und diese war im übrigen in aller Regel so gehalten, dass man sich ohne Stimmbandverstauchung und in Lautstärken < 185db miteinander unterhalten konnte. Wir liebten die Pizza Magnus heiß und innig, und diejenigen, die nichts gegen Obst in einer warmen Mahlzeit einzuwenden haben, versuchten sich an der Pizza Hawaii – sie kamen, probierten… und blieben.
Bitte überdenke deine SLA; wir haben für den Moment eine gangbare Alternative entdeckt, doch eigentlich vermissen wir deinen Laden und würden ihn gerne wieder gerne besuchen.
Hintergrundbild: Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten