Kamerad oder Spielzeug?
Das Gebäude steht seit etwa 20 Jahren leer und ächzt im Wind; die Fenster sind gesprungen und blind, die Wände faulig von der stetig einsickernden Feuchtigkeit.
Doch das Heft ist in tadellosem Zustand, 10 Pfennige kostete es damals und „Kamerad oder Spielzeug?“ ist der Titel; wann „damals“ war lässt sich nicht wirklich feststellen – es fehlt die Jahreszahl. Verfasst in Fraktur richtet es sich an den „jungen Arbeitsmann“ und redet ihm eindringlich ins Gewissen, seinen Umgang mit dem weiblichen Geschlecht betreffend.
Ich habe Seite für Seite abfotografiert, denn ich möchte es für die Nachwelt erhalten. Lest es, und vielleicht geht es euch wie mir: ihr werdet lächeln, ihr werdet stellenweise laut lachen, weil euch das Geschriebene so fremdartig erscheint. Aber vielleicht wird euch das ein oder andere auch nachdenklich stimmen.
Ein Heft aus einer anderen Zeit
- „Sag, Freund, wie ist deine Stellung zum Mädchen?“
- „Es war oft Zuchtlosigkeit, Zügellosigkeit.“
- „… das Gottesgebot der Keuschheit sei allzu streng für die Menschen…“
- „Fräulein, Sie sind doch zu schade für die unsauberen Menschen“
- „… mit Ekel und Verachtung zu strafen.“
- „… dass nämlich die Liebe etwas Großes, etwas Heiliges ist.“
- „Und das oberflächliche, kokette Kind, das willensschwache!“
- „Dann wird seine Einbildungskraft entmenscht…“
- „Weil sich ja auch ihr späteres Leben abspielen soll am stillen Herd.“
- „Wer so denkt und redet, der ist ein Lump.“
- „Naschkatzen wie Modedämchen passen wenig zur Mutter deiner Kinder.“
- „Denk: Der Wahn ist kurz, die Reu‘ ist lang.“
- „Das deftige Mädchen aber kann vor allen Dingen zupacken.“