Glücksfall Kreuzbandriss?
Es war Mitte April, als ich mir das Kreuzband im linken Knie zerfetzte, und auch wenn ich schon Ende Mai wieder zur Arbeit ging und Auto fuhr ist doch klar: das Knie ist nicht mehr wie zuvor und wird es auch nie wieder werden.
Man machte mir zeitnah klar, dass die Sache üblicherweise operiert wird; Klinikaufenthalt, lange Reha-Zeit und viele Schmerzen inklusive, Ausfallzeit im Job: Minimum vier bis sechs Monate. Aber ich bin kein Sportler, ich fahre nicht Ski und kann auch nicht Joggen (andere Geschichte), da könne ich es ja mal ohne OP versuchen. And there – we – go! Ich initiierte noch im April eine Ernährungsumstellung, nervige Sache, zu der ich mich vorher nicht hatte aufraffen können – aber wenn möglich, möchte ich das arme Knie entlasten, wo immer es geht. Und ich marschierte ins Fitness-Studio, wo ich einen Zweijahresvertrag abschloss und all die erstaunten Gesichter zu ignorieren versuchte. Mein Physiotherapeut wies mich in Gerätschaften ein, die mir von Nutzen sein könnten, und vorsichtig begann ich zu trainieren. Natürlich hätte ich das auch vorher schon haben können, bloß macht mir Sport so gar keinen Spaß; freiwillig hätte ich mich sicher nicht dazu aufgerafft. Jetzt ist das Knie der Chef, und der Chef sagt: nur trainierte Oberschenkel können versuchen abzufangen, was das defekte Kreuzband nicht mehr leisten kann. Also trainiere ich 3x die Woche und auch dann, wenn ich absolut so richtig überhaupt keine Lust dazu habe.
Und es funktioniert. Die Angst vor einer möglichen Operation bezwingt den Schweinehund, der bisher schrecklich hartnäckig in der Ecke lag und knurrte. Die Trainingszeiten sind als feste Termine im Kalender eingetragen und nicht diskutierbar – der Rest organisiert sich drumherum. Die Kinder haben überhaupt kein Problem damit, wenn ich (selten) nicht da bin, um sie gemeinsam mit Papa ins Bett zu bringen (meist gehe ich allerdings erst los, nachdem sie in ihren Betten liegen). Sogar finanziell ist es sehr im Rahmen. Leider gehören viele Rückschläge dazu. Okay, das Laufband ist absolut tabu für mich, aber wie sich dann herausstellte, ist aber auch der Crosstrainer too much. Es deprimiert mich, die Grenzen zu erkennen – und schließlich auch akzeptieren zu müssen. Da jedoch auch die Operation kein Garant für Beschwerdefreiheit ist, beiße ich die Zähne zusammen und mache weiter. Manchmal ist das Bein überlastet, und ich merke es zu spät: wenn ich den ganzen Nachmittag mit den Kindern um den See gelaufen bin, Treppen machen mir Schwierigkeiten, und das Stapfen durch den tiefen weichen Sand am Strand von Maspalomas musste ich auf ein Minimum reduzieren. Wenn das Knie keinen Bock mehr hat, knickt es einfach weg – ich wette, für Außenstehende wirkt das, als ob ich betrunken herumstolpern würde.
Jedoch ernähre ich mich besser, bin beweglicher und trainierter, und sogar der dämliche Brustwirbel, der mich schon seit Jahren quälte und piekte, ist nun überwiegend dort, wo er hingehört. Wäre das Kreuzband nicht kaputt, wäre es so eigentlich ziemlich perfekt. Schade, dass ich da so spät erst draufkomme…
Hintergrundbild: 1440x 530px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten