Das Ende einer Leidenschaft
Es klang so leicht, in meiner Vorstellung war es ganz einfach: die alte Hardware sichten, putzen, sortieren und nach und nach abgeben. An den Wertstoffhof, was unrettbar kaputt ist, und an Sammler den Rest. Aber nichts ist so, wie man es sich vorstellt.
Obwohl ich schon viele Teile vorm letzten Umzug abgegeben hatte – die PS/2, die RS6k, alle Indigo2 und einen Teil der Indies inklusive der Challenge S und fast alle 68k-Macs und Newtons – ist mehr als genug übrig, um mich in den Wahnsinn zu treiben. Aber abstauben, durchpusten, anschließen, testen – das sind nun eigentlich keine Aufgaben, die einen verzweifeln lassen, oder? Das Problem ist nicht die Hardware und auch nicht der Umgang damit… Gerade bei letzterem bin ich völlig überrascht, wie viel ich einfach noch weiß. Dinge, von denen ich gar nicht wusste, dass sie noch in einer Hirnzelle zu finden sind.
Aber emotional ist es überraschend (für mich zumindest, ich habe nicht damit gerechnet) belastend, anstrengend und ein Stück weit wie Trauerarbeit. Als Abschied von einem Hobby, das mich viele Jahre lang sehr glücklich gemacht hat. Als Erinnerung an die Menschen, mit denen es mich über die Jahre zusammen- und zum Teil auch wieder auseinandergeführt hat. Und als Abschied von einem Lebensabschnitt, der unwiederbringlich zu Ende ist. Das ist das eigentlich Schmerzhafte daran.
Ich hatte vermutlich eine der größten Hardware-Sammlungen – manch einer äußerte sich schon überrascht ob der Menge an Zeug, die da in den letzten Tagen auftauchte. Dabei ist das bloß die Spitze des Eisberges, ich hab das halt nie so wirklich an die große Glocke gehängt. Über die Jahre brachte ich alle Maschinen in einen funktionsfähigen Zustand und schließlich, nach und nach, in Richtung „Vollausbau“. Erforderte Geduld, die Teile fliegen nicht gerade auf der Straße herum – okay, außer PS/2, die kamen wirklich zum Teil vom Sperrmüll (jaja, damals durfte man bei Sperrmüll noch Elektroschrott rausstellen!). Und Geld kostete es, neben Zeit auch einen Haufen Geld… Neben eBay war vor allem de.alt.folklore.computer
mir ein wirklich guter Freund in jenen Tagen.
Es hat mich den Umgang mit Betriebssystemen gelehrt, das Einarbeiten in fremde Systeme: die Macintoshs unter System 6, System 7, 8 hatte ich tatsächlich nicht, dafür aber dann wieder 9. Mac OS X von der ersten Beta an und bis heute, auch wenn es inzwischen anders heißt. Der 68020 (ich weiß nicht mehr welcher) unter A/UX. Der IBM PS/2 Model 70 mit dem Bernstein-Display unter AIX (nicht zu verwechseln!). Die diversen SGIs wahlweise unter IRIX oder NetBSD. Die übrigen PS/2 wahlweise unter MS-DOS, Windows 3.1 oder OS/2. Die SPARCS altersabhängig unter SunOS, Solaris (oder halt ebenfalls NetBSD). Die NeXTstation TurboColor unter NeXTSTEP beziehungsweise OPENSTEP. Und dazwischen schwirrten immer mal Teststellungen mit Plan9 oder BeOS oder anderem absurdem Kram herum, der Arbeitsplatzrechner war lange eine Sun Ultra10 oder eine FreeBSD-Büxe, die Challenge S der Heimserver.
Nein, es war nicht nur stumpfes Sammeln und Horten und Habenwollen. Und deshalb ist es auch nicht primär der Abschied von den Gegenständen, der schmerzt, sondern der Abschied von einer Zeit, die vorbei ist. Der Abschied von der Person, die ich nicht mehr bin. Deshalb kommt ein „ich fahr den Quatsch zum Wertstoffhof“ auch nicht in Frage – auch wenn das letzte Mal putzen, zusammenbauen, ausprobieren ein Kraftakt ist.
Zurückbehalten habe ich tatsächlich nur vier Dinge:
- die oben erwähnte NeXTstation TurboColor, 33MHz 68040 mit 128MB RAM: hierfür bin ich nach Heidelberg gefahren und hab meine SGI Origin 200 hergetauscht. Auf dem Rückweg hat mein Fiat Panda fast seine neue Windschutzscheibe verloren – die Werkstatt hatte sie nur aufgelegt, aber einzukleben vergessen…
- Die SGI Indigo, in Vollausbau, mit Bandlaufwerk, Diebstahlsicherung und Tastatur; mein Väterchen hatte mir sogar eine neue Batterie aufs Mainboard eingelötet – denn diese Maschine startet mit leerer Batterie nicht…
- den kleinen Macintosh SE, auf dem ich bis heute hin und wieder Oxyd zocke: nachdem ich an der Uni meine erste Hausarbeit im Kurs „Grundlagen des Bürgerlichen Rechts“ handschriftlich eingereicht hatte erhielt ich eine gute Note und den Hinweis, bitte niemals wieder etwas Handschriftliches einzureichen. Die restlichen Hausarbeiten habe ich dann auf dem SE geschrieben, das ist kein Witz
- meinen Hellomat mit der Atari-Version von Tetris – ein Geschenk der Retrogames e.V., da ich sie durch glückliche Umstände mit endlos vielen Platinen, Flipperteilen und $Zeug versorgen konnte
Der Rest findet nun neue, hoffentlich ähnlich motivierte Besitzer. Und den Erlös stecke ich in Dinge, die mir heute wichtig sind – Hubi zum Beispiel. Widme mich den Menschen, die mir heute wichtig sind. In Zukunft wird es vermutlich auch weniger um Dinge gehen als um Erfahrungen oder Erlebnisse. So plane ich in den nächsten Wochen meine erste Motorrad-Tour, allein und Langstrecke – sofern Wetter, Geistenzustand sowie allgemeine Pandemie-Lage mitspielen.
Und ich nicht doch im letzten Moment die Hose zu voll hab.
Hintergrundbild: Screenshot IRIX, 2012, 1280x 1024px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten