25. Juni 2014: Wie war dein Tag?

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

„Möchte runterschweben“ – das Kind ist also wach. Ich bin es nicht, werde im weiteren Verlauf aber dazu gezwungen.

Den iPod als Taschenlampe missbrauchend muss ich dem Kind leuchten, damit es unfallfrei den Weg bis zum Rollladenknopf findet. Sobald der Rollladen hochfährt, liege ich in meinem Nachtoutfit, mit zerwuschelten Haaren und noch immer geschlossenen Augen sozusagen auf der Straße, da erstens der Raum mal als Verkaufsraum fungierte und ein entsprechend großes und niedriges Fenster hat und zweitens die Vorhänge nicht mehr zugezogen werden dürfen, da sonst das Biene-Maja-Fensterbild „nichts mehr sehen kann“. Das klingt alles kompliziert. Und ist es auch.

9h00

Ich taste mich zur Treppe vor, während das Kind pausenlos auf mich einplappert, und unten trifft die gesamte Familie aufeinander. Das Kind erzählt und rennt rum, das Baby strampelt – Frühstückszeit. Leberwurst, Müsliriegelbrot, ein Glas Milch – das Kind ist begeistert. Kalter Kaffee: mehr braucht es nicht mehr, um mich morgens glücklich zu machen. Ich frühstücke aber großzügig, da ich um 12 Uhr einen MRT-Termin in der Radiologie habe und zwei Stunden vorher keinesfalls mehr etwas essen darf.

11h00

Während ich mir mit der rechten Hand die Haare kämme, muss ich mit der linken ein Outfit zusammenstellen, das dem Kind zusagt („Nich die Kirschensocken!“). Meine Frisur ist inakzeptabel, das Baby hat mir auf die Bluse gekotzt, mein linker Schuh ist weg. Also ungebügelte Bluse aus dem Wäschestapel zerren und überstreifen, Geldbeutel und Autoschlüssel suchen, Schuh am Fuß vom Kind wiederfinden („Guck mal! Der passt mir!“). Das Baby zieht sich eine Decke über den Kopf und motzt. Der Mann hetzt umher, da er mit beiden Kindern ebenfalls einen Arzttermin wahrzunehmen hat.

11h45

Ich bin zu spät an. Der Mann fährt mit dem großen Auto, weil da der Kindersitz schon drin ist. Ich sause mit dem blauen Flitzer in die Innenstadt, finde glücklicherweise direkt einen Parkplatz und auch die Praxis. Fast pünktlich erscheine ich am Empfang, lade alle Überweisungsscheine, Versichertenkarten und Laborberichte ab. Möglichst neutral bestätige ich der hochgezogenen Augenbraue, ja, ich stille. „So Leut unnersuche ma eintlisch net!“ Aha. „Kläre se das mit da Ätzdin.“ Alles klar.

Dass das Kontrastmittel Ärger machen würde, war vorher schon klar; für MRT werden in erster Linie Kontrastmittel auf Basis von Gadolinium verwendet, und in den Beipackzetteln, die ich im Netz gefunden hab, wird „in Absprache mit dem Arzt eine Stillunterbrechung von 24 Stunden“ empfohlen. Es gibt auch viele Hinweise darauf, dass diese Mittel völlig unbedenklich seien, da der Wirkstoff maximal zu 0,04% in die Muttermilch übergehe und beim gestillten Säugling keinen Schaden anrichte – denn auch Babys injiziert man das Zeug, wenn sie eine MRT brauchen. Aber es ist wie bei Nasentropfen, Kamillentee und Durchfallmittel: in Schwangerschaft und Stillzeit wird abgeraten. Mein Hausarzt hatte sogar von einer mehrtägigen Stillpause gesprochen, da ich ja „ohnehin nicht richtig stille“ könne ich das Zeug ja auch abpumpen und wegschmeißen. Und wie ihr euch denken könnt war ich davon nun so gar nicht begeistert!

Alles Metall soll ich vom Körper entfernen, Haarspange, Bügel-BH – Nasenpiercing. Uff. Sogar beim Kaiserschnitt hatte ich es nicht rausmachen müssen, und nun geht es nicht auf. Ich frage nach einer Zange, haben sie nicht. Ich bekomme einen blauen Gummihandschuh, funktioniert nicht. Das Personal saust rum und wirkt genervt. Wie sich herausstellt, schaut bei einer MRT des Beckens der Kopf oben aus der Röhre raus und das Piercing somit auch – wir kleben ein Pflaster drauf und gut.

Die MRT erbringt dann auch ganz ohne Kontrastmittel hinreichend aussagekräftige Bilder. Und das, obwohl hier sogar die Gefäße dargestellt werden mussten! Ich frage mich, wie oft diese chemischen Keulen verabreicht werden, obwohl es nicht sein müsste. Total happy verlasse ich nach über zwei Stunden die Praxis und schlendere gemütlich in Richtung Fußgängerzone. In der Parkhausauffahrt finde ich fünf Euro, die ich bei Starbucks in einen fettarmen und extrem koffeinhaltigen Caramel-Frappuccino umsetze. Ich nutze die seltene Gelegenheit, im Handarbeitsladen meine Wollbestände aufzustocken, und besorge aus meiner guten Laune heraus für jeden ein Geschenk. Koordination per Handy, Mann und Kinder („HALLO MAMA!“) haben ihren Termin („ICH WILL DER MAMA HALLO SAGEN!!!“) ebenfalls erfolgreich („GIB! MIR! DAS! HANDY!“) absolviert und (zupfschreiknatsch) sind nun willens, sich („ICH WILL DER MAMA TSCHÜSS SAGEN!“) bei IKEA („TSCHÜÜÜÜÜÜSSSSS!“) zu treffen.

15h00

Dort angekommen hüpft das Kind bereits um eine Spielstation herum, und das Baby grinst mich piratenmäßig aus dem Tragetuch heraus an. Wir beginnen den Weg durch das IKEA-Labyrinth, finden uns 17 Schritte weiter an der nächsten Spielstation und tauschen, während das Kind exakt das selbe spielt wie fünf Minuten zuvor, unsere Arzterlebnisse des Tages aus. Auf halbem Weg fällt dem Kind plötzlich ein, dass es (jetzt, sofort und auf der Stelle) aufs Klo muss – also wieder zurück zum Anfang. Während es Platz schafft stellt das Kind fest, dass es einen „Bärenhunger“ hat und sofort was essen muss. Wir schaffen es zwar, uns noch ein wenig umzusehen, haben aber mit einem Problem zu kämpfen, das wir in dieser Form noch nie hatten: das Kind rennt ständig weg.

15h30

Alle essen, das Baby süffelt eine Milch. Das Kind „möchte kurz was gucken“ und taucht nicht mehr auf. Ich finde es in einer Spielecke, nur noch eine Socke an den Füßen und in einem Krabbeltunnel steckend. Ich lerne: Socken mit kleinem Loch kann man nicht mehr tragen, man muss barfuß gehen. Während ich das Kind vom Gegenteil überzeuge, packt der Mann unseren Krempel zusammen und das Baby in den Wagen. Wir gehen ein Stück, das Kind sucht sich getigerte (!) Servietten in orange (!!) für unseren Esstisch aus. Das Baby windet sich und brüllt im Wagen, ich nehme es heraus, der Mann drapiert ein Spucktuch auf meiner Schulter – dieser Moment reicht dem Kind aus, zu verschwinden. Diesmal richtig. Wir rufen. Wir suchen. Kein Kind. Wir erweitern den Radius. Kein Kind. Inzwischen sind zehn Minuten vergangen, und ich werde nervös. Meine Angst: was, wenn sie zum Ausgang und raus auf den Parkplatz rennt? Also fix mit dem sabbernden Baby auf der Schulter an die Information. Die Frau veranlasst die sofortige Schließung und Bewachung aller Ausgänge, während eine andere eine Durchsage schaltet und das restliche Personal beim Suchen hilft. Dennoch dauert es weitere zehn Minuten, bis sie an einer Spielstation gefunden wird – sie hatte sich wohl bei den Teppichen versteckt und fand es sehr witzig, dass wir so laut nach ihr gerufen hatten… :-/

17h30

Nach dem Schreck habe ich auf weitere Shopping-Attacken so gar keine Lust. Mann und Kinder fahren schonmal nach Hause, während ich unseren verwaisten Einkaufswagen einsammele und unseren Kram bezahle. Im Sportladen nebenan mache ich noch ein Schuh-Schnäppchen, dann begebe auch ich mich nach Hause, wo das Kind kurz vorm Verhungern steht. Es gibt („Gib mir eine Gurke.“) Brot mit („SAURE GURKEEE!“) Leberwurst und („Schneid mir den Schnibbl ab an der Gurke.“) Käse („Darf ich das Gurkenglas austrinken?“).

21h00

Das Kind in einen Schlafanzug zu nötigen ist eine der letzten Herausforderungen des Abends („LASS MICH! Ich will Kirschensocken!“), das Baby grinst und quietscht. Das Kind krabbelt die Treppe rauf, ich trage das Buch; wir begrüßen die Biene Maja am Fenster, schütteln die Decken auf und lassen den Rollladen runter. Ich lese gefühlt endlos viele Seiten „Connie geht in den Kindergarten“ und forme aus Kind, Teddy und Bettdecke eine kompakte kleine Mumie. Der Mumie fallen schon die Augen zu. Es kehrt Ruhe ein. Als ich runterkomme, schläft das Baby, ebenfalls eine kleine Deckenmumie, auch schon. Der Mann ist kaputt und spielt mit seinem Tablet.

Und ich beschließe, einfach drauf los zu bloggen, und heute kein OpenLDAP mehr zu machen ;-) Dafür ärgere ich mich über meinen Firefox, der seit dem letzten Update eine kaputte Such-Funktion hat und mich damit in den Wahnsinn treibt. Ich bin kaputt und müde – und morgen geht’s dann munter weiter…

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Hintergrundbild: Die Blueten am Kaktus sehen richtig unecht aus, 1092x 1092px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten

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